RATIS Rechtsanwaltsgesellschaft

Kündigung ohne Abmahnung zulässig?

Ist Kündigung ohne Abmahnung zulässig

Arbeitnehmer, die gegen Ihre Arbeitspflicht bzw. andere vertragliche Pflichten verstoßen, müssen in der Regel vor einer Kündigung abgemahnt werden. Bei schweren Pflichtverletzungen ist jedoch auch eine Kündigung ohne Abmahnung zulässig. Die gute Nachricht für Arbeitnehmer: In den letzten Jahren fiel die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte und des BGH zunehmend arbeitnehmerfreundlich aus.

Abmahnung: Die gelbe Karte im Arbeitsrecht

Mit einer Abmahnung droht der Arbeitgeber eine Kündigung an, wenn sich der Arbeitnehmer zum wiederholten Male pflichtwidrig verhalten hat.

  • Grundsätzlich geht man in den meisten Fällen davon aus, dass ein Arbeitnehmer sein Verhalten steuern kann. Eine Abmahnung soll einerseits dazu dienen, auf Pflichtverletzungen hinzuweisen und gleichzeitig durch das Androhen von Folgen das zukünftige Verhalten positiv zu beeinflussen. Daher gilt, dass eine ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraussetzt.
  • Einer Abmahnung ist nur dann nicht erforderlich, wenn eine negative Prognose zu erwarten ist. Was heißt das? In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändern wird oder die Pflichtverletzung so schwer ist, dass eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung nach objektiven Maßstäben gerechtfertigt ist (BAG-Urteil vom 23. Oktober 2014, Az.: 2 AZR 865/13; BAG-Urteil vom 25. Oktober 2012, Az.: 2 AZR 495/11). So gesehen gibt es Parallelen zum Fußball: Manche Fouls sind so schwerwiegend, dass der Schiedsrichter sofort die rote Karte zückt. Ein Beispiel: Aus einem Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts geht hervor, dass eine Ausländerhetze in sozialen Medien eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt, wenn auf dem Profilfoto die Dienstkleidung des Arbeitgebers zu sehen ist (LAG Sachsen vom 27. Februar 2018, Az.: 1 Sa 515/17).  

Fazit: 

In der Regel gilt, dass nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts verhaltensbedingte Kündigungen ohne vorherige Abmahnung unwirksam sind. Zwar gibt es auch Pflichtverletzungen, die so schwer wiegen, dass sie eine Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen. Dennoch haben die Gerichte in den letzten Jahren eher arbeitnehmerfreundlich entschieden.

Kündigung ohne Abmahnung: Entscheidungen des BAG

So wurde etwa der ehemals eherne Grundsatz, dass jeder Diebstahl bzw. jede Unterschlagung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geeignet sei, eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen, durch die bekannte Emmely-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 10.06.2010, Az. 2 AZR 541/10) infrage gestellt. Gegenstand der Entscheidung war die Kassiererin Emmely, die nach 15 Jahren störungsfreier Beschäftigung zwei verlorene Leergutbons im Gesamtwert von 1,30 Euro eingelöst hat, die ihr vom Filialleiter bis zur Abholung durch die Eigentümer anvertraut worden waren.  

Diese Entscheidung mag man angesichts der bei jeder außerordentlichen Kündigung anzustellenden Abwägung und der arbeitgeberseits betroffenen geringen Werte noch nachvollziehen. Schon schwerer fällt dies bei einer Entscheidung des BAG (Urteil vom 20.11.2014, 2 AZR 651/13), der eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers, der einer Putzkraft an den Busen gefasst hat, als unwirksam und eine Abmahnung als ausreichend angesehen hat. Hier hat das BAG angenommen, dass es sich um eine „einmalige Entgleisung“ gehandelt und der Kläger „keinen Belästigungswillen“ gehabt habe. Er habe sich lediglich „über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt“. 

Wann ist eine Abmahnung formal wirksam?

Im Zweifel bedarf es daher immer erst einer Abmahnung, bevor man eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht. Dabei müssen das abgemahnte Fehlverhalten und die Pflichtverletzung, die Anlass der Kündigung war, gleichartig sein. Der Grund für die Kündigung ist dann, dass der Arbeitnehmer die mit der Abmahnung einhergehende Warnung nicht beachtet und sein pflichtwidriges Verhalten nicht angepasst hat. 

Setzt die Kündigung eine Abmahnung voraus, muss der Arbeitgeber in einem späteren Kündigungsschutzprozess beweisen, dass er dem Arbeitnehmer eine wirksame und einschlägige Abmahnung erteilt hat. Eine Abmahnung ist unter folgenden Voraussetzungen formal wirksam:

  • Der Arbeitgeber muss das abzumahnende Verhalten hinreichend konkret beschreiben und deutlich machen, gegen welche arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Arbeitnehmer mit diesem Verhalten verstoßen hat.
  • Der Arbeitgeber muss in der Abmahnung klarstellen, dass er im Wiederholungsfall mit einer Kündigung rechnen muss.

Setzt der Arbeitnehmer nach Erhalt einer Abmahnung das abgemahnte Verhalten fort, ohne dass der Arbeitgeber dies zum Anlass einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nimmt, kann dadurch die Wirkung der Abmahnung wieder aufgehoben werden, Insoweit hat sich der Arbeitgeber im Hinblick auf die in der Abmahnung angedrohte Kündigung quasi selbst wiederlegt. Bei neuerlichem Fehlverhalten des Arbeitnehmers bedarf es daher möglicherweise einer neuerlichen Abmahnung, die klarstellt, dass dieses Verhalten in Zukunft nicht mehr geduldet werden wird.

Abmahnung ist ohne unmittelbare Wirkung

Im späteren Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitgeber allerdings auch die Berechtigung der vorherigen Abmahnung zu beweisen. Dies wird ihm im Zweifel umso schwerer fallen, je länger das der Abmahnung zugrundeliegende Verhalten schon zurückliegt. Dies ist der Grund dafür, warum viele Arbeitsrechtsanwälte davon abraten, eine Abmahnung isoliert anzugreifen. Die Abmahnung als solche entfaltet ja keinerlei unmittelbare Wirkungen auf das Arbeitsverhältnis, solange ihr keine Kündigung nachfolgt. Und in diesem Fall genügt es, wenn die Abmahnung im Kündigungsprozess angegriffen wird.

Bei Erhalt einer Abmahnung ist der Arbeitnehmer daher gut beraten, den Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht einzuholen, um den richtigen Umgang mit der Abmahnung abzustimmen.

Die mobile Version verlassen