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Schwangerschaft nach Kündigung festgestellt – Und nun?

Schwangere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerinnen nach der Entbindung genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser gilt ab dem ersten Arbeitstag und somit auch während der Probezeit. Voraussetzung ist allerdings, dass die schwangere Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft dem Arbeitgeber mitteilt.

Wird der Arbeitnehmerin gekündigt und wusste der Arbeitgeber nichts von der Schwangerschaft, so gibt es gesetzliche Fristen für die Mitteilung der Schwangerschaft an den Arbeitgeber. Dies setzt jedoch grundsätzlich die Kenntnis der Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft voraus. Es kann aber auch die Situation eintreten, dass die Arbeitnehmerin noch nichts von ihrer Schwangerschaft weiß und der Arbeitgeber ihr in dieser Phase kündigt.

In diesem Artikel erläutern wir, wie der besondere Kündigungsschutz für Schwangere und frisch entbundene Mütter ausgestaltet ist, wie lange der Kündigungsschutz gilt, ob schwangere Arbeitnehmerinnen unkündbar sind und was passiert, wenn die Arbeitnehmerin noch nichts von ihrer Schwangerschaft wusste und der Arbeitgeber ihr kündigt.

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Was bedeutet besonderer Kündigungsschutz während der Schwangerschaft?

Das deutsche Arbeitsrecht kennt zum Schutz der Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Kündigungen den allgemeinen Kündigungsschutz und den besonderen Kündigungsschutz. Der allgemeine Kündigungsschutz gilt für alle Arbeitnehmer, die in einem Betrieb oder Unternehmen arbeiten, in dem regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer vollzeitbeschäftigt sind.

Außerdem muss der Arbeitnehmer länger als 6 Monate im Betrieb beschäftigt sein. Bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber muss dieser sich auf einen der drei Kündigungsgründe – betriebsbedingt, personenbedingt oder verhaltensbedingt – berufen können, damit die Kündigung rechtmäßig ist.

Besonderer Kündigungsschutz für sozial schutzwürdige Arbeitnehmer

Daneben gibt es den besonderen Kündigungsschutz, der nur für bestimmte Arbeitnehmergruppen gilt, die der Gesetzgeber als sozial besonders schutzwürdig ansieht. Dies sind z.B. Betriebs- und Personalräte, schwerbehinderte Arbeitnehmer, Arbeitnehmer in Eltern- oder Pflegezeit sowie schwangere Arbeitnehmerinnen bis zu vier Monate nach der Entbindung.

Der besondere Kündigungsschutz dieser sehr unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen ist nicht einheitlich geregelt. Je nach Personenkreis und zugrunde liegendem Schutzgesetz enthalten die Regelungen zum Sonderkündigungsschutz unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich Anwendbarkeit, Beginn und Dauer des Schutzes.

Wann gilt der Sonderkündigungsschutz für Schwangere?

Während der allgemeine Kündigungsschutz in Kleinbetrieben und bei einer Beschäftigungsdauer von weniger als sechs Monaten nicht gilt, unterliegt der besondere Kündigungsschutz für Schwangere und Mütter keinen Beschränkungen hinsichtlich der Betriebsgröße oder der Länge der Betriebszugehörigkeit. Der besondere Kündigungsschutz besteht somit ab dem ersten Tag der Beschäftigung.

Der besondere Kündigungsschutz besteht während der gesamten Schwangerschaft sowie 4 Monate nach der Entbindung oder einer Fehlgeburt (nach der 12. Schwangerschaftswoche). Während dieser Zeit ist die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin oder einer frisch entbundenen Arbeitnehmerin unzulässig (§ 17 Abs. 1 MuSchG).

Muss der Arbeitgeber von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin Kenntnis haben?

Damit der Arbeitgeber bestimmte Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin treffen kann, aber auch um den besonderen Kündigungsschutz zu gewährleisten, muss der Arbeitgeber von der Schwangerschaft Kenntnis haben.

Zu diesem Zweck soll die schwangere Arbeitnehmerin gemäß § 15 Abs. 1 MuSchG dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft und den voraussichtlichen Termin der Entbindung mitteilen. Wann sie dies tut und ob, ist der Arbeitnehmerin überlassen. Daher ist § 15 Abs. 1 MuSchG auch nicht als Pflicht der Arbeitnehmerin zu sehen, sondern als Obliegenheit.

Eine Obliegenheit ist ein Handeln, das nicht erzwungen werden kann, aber zur Vermeidung von Rechtsnachteilen im Eigeninteresse geboten ist.

Kündigung bei Unkenntnis der Schwangerschaft

Gerade in der Frühphase der Schwangerschaft kann die Schwangerschaft für die Arbeitnehmerin nicht erkennbar sein. Da zu diesem Zeitpunkt weder die Arbeitnehmerin noch der Arbeitgeber von der Schwangerschaft wissen können, kann der Arbeitgeber den besonderen Kündigungsschutz in dieser Phase eventuell nicht berücksichtigen.

Eine Kündigung durch den Arbeitgeber während einer unerkannten Schwangerschaft ist daher möglich, aber rechtlich nicht zulässig. Da einer schwangeren Arbeitnehmerin nicht gekündigt werden darf und dies nicht von der Kenntnis der Schwangerschaft abhängig ist, kann die Meldung der Schwangerschaft auch nach Zugang der Kündigung nachgeholt werden. In einem solchen Fall wird die Kündigung unzulässig und der besondere Kündigungsschutz gilt dann nachträglich.

Kündigung Schwangerschaft

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Lesen Sie auch unseren Ratgeber-Artikel zur Kündigung in der Schwangerschaft.

Fristen zur nachträglichen Meldung der Schwangerschaft

Damit der besondere Kündigungsschutz noch nachträglich zur Anwendung kommen kann, hat die Arbeitnehmerin nach Zugang der Kündigung zwei Wochen Zeit, dem Arbeitgeber die Schwangerschaft mitzuteilen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG). Der besondere Kündigungsschutz schützt dann vor einer arbeitgeberseitigen Kündigung.

Nach Ablauf der Zweiwochenfrist kann die schwangere Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber die Schwangerschaft immer noch nachträglich mitteilen und damit die Unwirksamkeit der Kündigung herbeiführen. Voraussetzung ist, dass die Arbeitnehmerin aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hat, nicht in der Lage war, dem Arbeitgeber die Schwangerschaft mitzuteilen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG).

Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die Arbeitnehmerin die den Sonderkündigungsschutz auslösenden Umstände – also z.B. die Schwangerschaft – nicht kannte. Hat die Arbeitnehmerin jedoch zwingende Anhaltspunkte dafür, dass sie schwanger sein könnte, ist sie auch im eigenen Interesse verpflichtet, dem nachzugehen. Dies kann nicht erwartet werden, wenn sich die Menstruation der Arbeitnehmerin um wenige Tage verschiebt, wohl aber, wenn sie zwei Monate ausbleibt. Lediglich vage Anhaltspunkte einer möglichen Schwangerschaft reichen aber nicht aus.

Erfährt die Arbeitnehmerin von einer Schwangerschaft, die zum Zeitpunkt der arbeitgeberseitigen Kündigung bereits bestand, hat sie dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Am besten geschieht dies innerhalb einer Woche.

Was passiert, wenn die Schwangerschaft bekannt wird, die Frist für die Einreichung der Kündigungsschutzklage aber bereits abgelaufen ist?

Die Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage beträgt nur drei Wochen nach Zugang der Kündigung durch den Arbeitgeber (§ 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz – KSchG). Die schwangere Arbeitnehmerin hätte also bei Bekanntwerden der Schwangerschaft nach Ablauf der Klagefrist keine Möglichkeit mehr, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Die Möglichkeit der Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage ist jedoch in § 5 Abs. 1 KSchG vorgesehen.

Voraussetzung dafür ist, dass die klagewillige Arbeitnehmerin durch ein Hindernis an der Klageerhebung gehindert war. Dies gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG ausdrücklich für Arbeitnehmerinnen, die nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist von ihrer Schwangerschaft erfahren haben. Dies bedeutet, dass eine verspätete Klage grundsätzlich möglich ist, wenn die Arbeitnehmerin erst nach Ablauf der Klagefrist von ihrer Schwangerschaft erfahren hat.

Nach Wegfall des Hindernisses für die verspätete Erhebung der Kündigungsschutzklage muss die Arbeitnehmerin die verspätete Klage und den Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage innerhalb von zwei Wochen erheben (§ 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Die Zweiwochenfrist beginnt z.B. mit dem Zeitpunkt, in dem die Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft erfährt. Der Antrag muss alle Tatsachen enthalten, die zur Glaubhaftmachung des fehlenden Verschuldens der Arbeitnehmerin erforderlich sind.

EuGH: Zwei-Wochen-Frist zu kurz

Das Arbeitsgericht Mainz hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in einem verhandelten Sachverhalt die Frist des § 5 Abs. 3 KSchG zur Vorabentscheidung vorgelegt, um zu klären, ob die Frist mit europäischem Recht vereinbar ist. In dem Sachverhalt ging es darum, dass eine Arbeitnehmerin am 06.10.2022 vom Arbeitgeber zum 21.10.2022 gekündigt wurde. Am 09.11.2022 wurde festgestellt, dass die Arbeitnehmerin bereits in der 7. Schwangerschaftswoche und damit zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war. Bereits am nächsten Tag teilte die Arbeitnehmerin dies auch ihrem ehemaligen Arbeitgeber mit.

Zu diesem Zeitpunkt war die dreiwöchige Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage bereits abgelaufen. Da die Arbeitnehmerin aber ab dem 09.11.2022 Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hatte, hätte sie innerhalb der nächsten zwei Wochen einen Antrag auf verspätete Zulassung der Kündigungsschutzklage stellen müssen (§ 5 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG). Sie reichte die Klage jedoch erst am 13.12.2022 und damit deutlich nach der Zweiwochenfrist des § 5 Abs. 3 KSchG ein. Da diese Frist sehr kurz ist, legte das Arbeitsgericht Mainz den Sachverhalt dem EuGH vor.

Der EuGH entschied (Rechtssache C-284/23, Urteil vom 27.06.2024), dass die Zwei-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 KSchG zu kurz bemessen und daher mit europäischem Recht unvereinbar ist. Die Frist verstoße gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, der sich ebenfalls aus dem Europarecht ableiten lasse. Vor allem weil die Zwei-Wochen-Frist des § 5 KSchG noch um eine Woche kürzer ist als die Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage, muss die Verspätungsfrist länger als zwei Wochen sein, um mit der Richtlinie 92/85/EWG und dem Europarecht vereinbar zu sein.

Die kurze Zwei-Wochen-Frist erschwere es schwangeren Arbeitnehmerinnen, sich in der frühen Phase ihrer Schwangerschaft angemessen beraten zu lassen und rechtzeitig einen Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage vorzubereiten und einzureichen.

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Sind Schwangere unkündbar?

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist die Kündigung einer Arbeitnehmerin, die schwanger ist oder gerade entbunden hat, unzulässig. Der Arbeitgeber darf also einer schwangeren Arbeitnehmerin oder einer Arbeitnehmerin, die gerade entbunden hat, nicht kündigen. Eine solche Kündigung ist rechtswidrig.

Dies bedeutet nicht, dass eine Arbeitnehmerin, die schwanger ist oder gerade entbunden hat, unkündbar ist. Solange die Kündigung auf Gründen beruht, die nichts mit dem Zustand der Arbeitnehmerin nach der Schwangerschaft oder Entbindung zu tun haben, kann der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin kündigen. Beispiele hierfür sind verhaltensbedingte Gründe wie Pflichtverletzungen oder betriebsbedingte Gründe wie die Insolvenz des Arbeitgebers.

Will der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin, die schwanger ist oder gerade entbunden hat, kündigen, muss er vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde einholen. In Bayern sind hierfür die Gewerbeaufsichtsämter bei den örtlich zuständigen Bezirksregierungen zuständig. Für die Kündigung gelten besondere Formvorschriften. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und den zulässigen und genehmigten Kündigungsgrund enthalten.

Fazit – Schwangerschaft nach Kündigung festgestellt

  • Besonderer Kündigungsschutz für Schwangere: Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen ab dem ersten Arbeitstag einen besonderen Kündigungsschutz, der unabhängig von der Betriebsgröße und der Beschäftigungsdauer gilt. Dieser Schutz umfasst die gesamte Schwangerschaft sowie 4 Monate nach der Entbindung oder einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche.
  • Mitteilungspflicht und Fristen: Um den Kündigungsschutz zu erlangen, muss die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft mitteilen. Dies kann auch nach Erhalt der Kündigung geschehen. Die gesetzliche Frist beträgt 2 Wochen, allerdings kann der Schutz auch nach Ablauf dieser Frist greifen, wenn die Verspätung unverschuldet ist.
  • Rechtsfolgen bei unerkannter Schwangerschaft: Kündigungen, die während einer unerkannten Schwangerschaft ausgesprochen werden, sind rechtlich unwirksam. Die Arbeitnehmerin kann die Schwangerschaft nachträglich mitteilen, wodurch der Kündigungsschutz rückwirkend eintritt.
  • Verspätete Kündigungsschutzklage: Erfährt die Arbeitnehmerin erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist von ihrer Schwangerschaft, kann sie eine verspätete Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragen. Hierfür ist eine Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der Schwangerschaft vorgesehen, die jedoch für die Situation der schwangeren Arbeitnehmerin zu kurz bemessen sein dürfte, wie der EuGH entschieden hat. Die Frist verstoße gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes.
  • Einschränkungen des besonderen Kündigungsschutzes: Schwangere sind nicht völlig unkündbar. Betriebs- und verhaltensbedingte Kündigungen sind möglich, aber nur mit vorheriger Zustimmung der zuständigen Landesbehörde und unter Einhaltung besonderer Formvorschriften.
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